Während andere Mädchen vermutlich ihr gesamtes Leben darauf
hingefiebert haben, endlich ihr Brautkleid aussuchen zu dürfen, machte mir
dieses Thema vor allen Dingen eines: Angst. Bei der Vorstellung von Puffärmeln,
Tüll und Satinungeheuern wurde mir ganz anders zumute und in einem
Brautwarengeschäft sah ich mich ungefähr genauso realistisch wie in einem
Zubehör-Shop für Atomwaffen.
Dementsprechend mulmig war mir im Magen, als ich das erste
Mal in eigener Sache einen Brautmodenladen betrat. Als Beraterin für
Freundinnen war die Sache ja noch lustig gewesen: Wunderbar konnte man bei
gratis Prosecco seine professionelle Meinung zu den wandelnden Tüllwolken
kundtun, ohne dabei selber die Schmach eines „frech-sportlichen“ Modells über
sich ergehen lassen zu müssen. Jetzt wurde es allerdings auch für mich ernst:
Phase 1: Kabinenparty mit Selbst-Fremdschämen
Flankiert von Mutter und Tante betrat ich also eines schönen Tages den örtlichen Brautmodenladen und ging nochmal fieberhaft im Kopf durch, ob ich heute Früh eh schöne Unterwäsche angezogen hatte.
Phase 1: Kabinenparty mit Selbst-Fremdschämen
Flankiert von Mutter und Tante betrat ich also eines schönen Tages den örtlichen Brautmodenladen und ging nochmal fieberhaft im Kopf durch, ob ich heute Früh eh schöne Unterwäsche angezogen hatte.
Als meine äußert überschwängliche Beraterin mich sogleich in
eine Kabine verfrachtete und mich in die ersten Kleider hievte, wurden meine
schlimmsten Befürchtungen wahr. Vom Prinzessinnen-Gefühl war ich meilenweit entfernt,
vielmehr fühlte ich mich wie in einer Zeitmaschine zurückversetzt ins zarte
Alter von 12 Jahren, als ich mit Mama den ersten BH einkaufen war. Heute wie
damals riss die Verkäuferin mit einem enthusiastischen „Uuund? Paaaasst’s?“ den
Vorhang auf, während ich noch halb nackt in der Kabine stand und dem ganzen
Geschäft meine nackten Brüste präsentierte, und verfiel dann sogleich in
entzückte Gurrlaute, während ich mich in dem weißen Ungetüm zu Tode schämte. In
diesem Kleid sah ich definitiv nicht aus wie eine zauberhafte Braut, sondern
wie ein Eisbär in Staniolpapier.
Voller Gram den Blick vom Spiegel abwendend, erhaschte ich
den selben Gesichtsausdruck bei der Braut in der Nebenkabine, die gerade in
einer ebenso schreckvollen Kreation unter den begeistern Zurufen ihrer Familie
eine Pirouette um die nächste drehte. Nicht einmal meine treuen Gefährten
konnten genug gespielte Begeisterung aufbringen, um irgendeinen Zweifel an der
Schrecklichkeit des Kleides aufkommen zu lassen. Als selbst meine generell
Pro-Tochter-eingestellte Mama kurz den Altersheim-Folder zur Seite legte und
mit einem bemühten „Joooo… eh liab!“ versuchte, mich vor der sofortigen Flucht
zu bewahren, war eines sehr schnell klar: ich musste hier raus.
Obwohl sich dieser Wunsch eher auf das gesamte Geschäft als
nur auf das Kleid bezog, blieb ich dann doch noch ein wenig und ließ mich in
viele andere weiße Monstrositäten verfrachten. Am Ende war ich bei einem davon
sogar der Meinung, dass es mir gefallen würde – ganz sicher kann ich das aber
rückblickend nicht mehr sagen. Vielleicht wusste mein Unterbewusstsein nur,
dass es endlich hier raus durfte, wenn es sich für ein Kleid entschieden hatte.
Klar, eigentlich hatte ich mir den Moment auch anders
vorgestellt, weniger „Ja, passt schon irgendwie“ und mehr „Ooooh, dieses
und kein anderes!“, aber in manchen Situationen siegt eben der Pragmatismus. Bis ungefähr zum Parkplatz war ich mit dieser Entscheidung auch zufrieden. Doch spätestens als ich den Schlüssel ins Zündschloss steckte, begann es an mir zu nagen: Sollte das nicht eigentlich anders laufen? Und war da nicht noch dieses eine Geschäft, in dem.....? Ok, ich gebe mich geschlagen - Phase 2 der "Mission Brautkleid" musste schnellstens eingeleitet werden!
Phase 2: Überlandfahrt ins Braudorado
Als ich bei der Kasse meine Bankomatkarte ins Terminal
stecke, verlässt das Lächeln zwar kurzzeitig mein Gesicht wieder, sobald ich
aus dem Geschäft bin, kommt es allerdings schnell wieder zurück. Ich habe ein
Kleid! Ich muss nicht in Mamas alten Store gewickelt zum Altar
schreiten! Ich bin eine Braut!
Phase 2: Überlandfahrt ins Braudorado
Neuer Tag, neues Glück, neues Geschäft. Mit einem Auto
voller Mädels und einer Schachtel Kekse starte ich diesmal zum Überlandausflug und
wage mich ins Braut-Eldorado Österreichs. Sobald ich den Laden betrete, bin ich
erst mal froh, dass ich das Ganze als amüsierte Trauzeugin schon einmal passiv
miterlebt habe. Sonst hätte mich wahrscheinlich spätestens zu dem Zeitpunkt der
Schlag getroffen, als ich in fescher Michael Jackson-Manier in weiße Handschuhe
schlüpfen muss, um mit meinen Drecksgriffeln keine Fettflecken auf all die
schönen Kleider zu machen.
Nun gut, Handschuhe an, Kabine bezogen, Prosecco
eingeschenkt – es kann losgehen! Meine Verkäuferin führt mich bewaffnet mit
einer Hand voll bunter Ringe die erste Runde durchs Geschäft und markiert
wahllos irgendwelche Kleider, die ich eigentlich gar nicht sooo schön finde – „nur
zum Probieren!“.
Gott sei Dank ignoriert sie die Markierungen danach aber
konsequent und bringt scheinbar einfach das, was ihr in die Finger kommt.
Zwischendurch verschwindet sie immer wieder fluchtartig von der Bildfläche,
währen ich in einem weißen Tüllhaufen gewandet nach ihr suche – oder wahlweise
einfach meinen Prosecco weiterschlürfe. Aber zurück zur Anprobe! Kleid 1 sieht
am Kleiderhaken wirklich bezaubernd aus – an mir dann allerdings eher desillusionierend. Der Reifrock sprengt beinahe die Kabine und ich fühle mich darin wie ein
aufgeblasener Marshmallow. Als ich die Kabine verlasse, um auf das
schwindelerregende Präsentationsstockerl zu klettern, kreischen Mädels und
Verkäuferin zwar unisono in Verzückung, mich beschleicht allerdings der Verdacht, dass
zumindest die Hälfte der Euphorie Alkohol-induziert ist. Als ich mich mit dem
Kleid im Spiegel betrachte, sehe ich aus wie ein Kleinkind, das schmollt, weil
es zum Verwandtenbesuch ein Puffärmel-Kleid anziehen muss.
Schneller als es der Verkäuferin lieb ist, bin ich also
wieder aus dem Kleid draußen und stürze mich ins nächste. Und ins nächste. Und ins
nächste. Und – sei es der Prosecco oder die verlässlichen Applausrunden der
treuen Freundinnen – mit jedem Kleid freunde ich mich mehr mit dem Gedanken der
weißen Pracht an. Und als ich bei einem der Kleider im Spiegel plötzlich ein
verstohlenes Grinsen auf meinem Gesicht erblicke, ist die Entscheidung
gefallen: mein Kleid hat mich gefunden! Ich denke an Sissi, ich denke an
rauschende Ballnächte, ich denke daran, dass ich jetzt bis zur Hochzeit nicht
mehr zunehmen darf… - und das Kleid ist gekauft!
Die Mädel zwingen mich noch gefühlte 100 Mal, in dem Kleid
den „Laufsteg“ entlang zu trippeln und schreien dabei jedes Mal verzückt – es geht
einfach nichts über eine treue Fangemeinde!